Vorbemerkung: Dieser Text wurde 2016 verfasst und auf http://www.bi-fluglaerm-raunheim.de veröffentlicht. Er ist auch heute noch interessant. Wir danken der BI Fluglärm Raunheim für die Genehmigung der Weiterverbreitung.
Obwohl weitgehend bereits Sommerpause herrscht, gibt es einige Neuigkeiten von internationaler und europäischer Ebene, die nichts Gutes verheissen. So hat die EU-Kommission am 20.07. eine EU-Strategie für emissionsarme Mobilität veröffentlicht, die zwar einiges Sinnvolle zum Strassenverkehr enthält, aber für den Bereich der Luftverkehrs-Emissionen nur auf die Unterstützung der ICAO-Verhandlungen verweist. Wie bereits berichtet, sind davon aber auch im besten Fall keine ausreichenden Maßnahmen zu erwarten, um die Luftverkehrs-Emissionen auch nur zu bremsen, geschweige denn angemessen zu reduzieren.
Während die EU sich über das Ergebnis ihrer Konsultation zur ‚Reduzierung der Klimawirkungen des internationalen Luftverkehrs‘ auch zwei Monate nach Abschluss weiter ausschweigt (die Ergebnisse sind als für die Öffentlichkeit „nicht verfügbar“ gekennzeichnet), lädt ICAO zu immer neuen ausserplanmäßigen Meetings ein, um doch noch einen vorzeigbaren Kompromiss zu erreichen. Das nächste derartige Treffen am 22./23. August nennt sich Friends of the President Meeting (Freunde des ‚film noir‘ mögen sich an Friends of Carlotta erinnert fühlen und vielleicht sogar Parallelen entdecken). Ziel ist, die Ergebnisse der bilateralen und multilateralen Konsultationen der letzten Wochen auszuwerten und einen Kompromisstext für die nächste ICAO-Ratstagung Ende August zu entwickeln.
Wer sich in den Stand der Verhandlungen vertiefen möchte, findet Material auf der Online-Plattform GreenAir Online, u.a. eine Analyse der Ergebnisse des letzten ICAO High Level Meetings, sowie eine Beschreibung der Kernprobleme aus Sicht einer NGO, die die Verhandlungen sehr konstruktiv verfolgt.
Andere NGOs haben die Hoffnung bereits aufgegeben (oder nie gehabt) und rufen dazu auf, das Vorgehen der ICAO als ‚Greenwashing‘ zu verurteilen. Das ‚klimaneutrale Wachstum‘ wird in der Kampagne noch einmal eigenständig gewürdigt (Vorsicht, Satire).
Die Lobby-Organisation der europäischen Airlines A4E drängt dagegen darauf, die ICAO-Maßnahmen, unabhängig davon, wie schwach die Beschlüsse im Oktober auch ausfallen werden, als die einzig erlaubte Klimaschutz-Maßnahme festzulegen und damit auch das europäische Emissionshandelssystem EU-ETS auszuhebeln.
Ein führendes Mitglied dieses Vereins, die Lufthansa, fällt nicht nur durch besondere Ignoranz auf, sondern führt die ICAO-Prognosen auch durch besonders schlechte Performance ad absurdum. Wähend ICAO beim spezifischen Treibstoffverbrauch (Menge pro Personen- bzw. Tonnen-Kilometer) von einem jährlichen Rückgang von 2% ausgeht, meldet die Lufthansa-Gruppe in ihrem Nachhaltigkeitsbericht für 2015 einen Rückgang von 0% im Personenverkehr und sogar eine Zunahme von 1,9% im Frachtverkehr. Und das, obwohl die Airlines der Gruppe dem aktuellen Standard sowieso hoffnungslos hinterher hinken und im atmosfair Airline Index 2015 Plätze von 68 abwärts belegen.
Derweil muss die WMO feststellen, dass der Klimawandel in den ersten sechs Monaten des Jahres 2016 erneut alle Rekorde bricht und die Erwärmung wesentlich schneller vonstatten geht als vorhergesagt. Das Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 ist noch nicht einmal in Kraft getreten, aber die darin formulierten Ziele sind teilweise bereits Makulatur. Den Temperaturanstieg auf 1,5°C zu beschränken mit Maßnahmen, die ab 2020 erst allmählich in Kraft treten, ist unmöglich, wenn bereits heute 1,3°C erreicht sind, und auch die Begrenzung auf maximal 2°C ist ausser Reichweite angesichts der Tatsache, dass die Ambitionen ehemaliger Vorreiter im Klimaschutz zunehmend den aktuellen Krisen geopfert werden.